Berliner Kurier, 15.07.2001                Väter ohne Kinder

 

Die Mütter haben das Sorgerecht und verweigern jeden Kontakt mit ihren Töchtern und Söhnen Jede dritte Ehe geht in Deutschland heutzutage in die Brüche. In Berlin spielt jedes zweite Ehepaar "Bäumchen, wechsel dich". Nach dem "verflixten siebten Jahr" sind die Kinder bestenfalls im Grundschulalter und geraten mitten zwischen die Fronten des Rosenkriegs. Einigen sich immerhin zwei von drei Eltern auf gemeinsames Sorgerecht, so leben trotzdem 85 Prozent der Kinder bei den Müttern. Viele Väter haben Angst, den Kontakt zu ihren Kindern zu verlieren, immer mehr haben ihn schon verloren. Der KURIER AM SONNTAG sprach mit Vätern, die ihre Kinder seit Jahren nicht gesehen haben ... "Das ist ein Bild aus dem Gefängnis", sagt der Mann mit dem spitzen Gesicht. Olivier Karrers Stimme bebt vor Wut. "Das malt er, seit er bei der Mutter ist. "Er hält die Zeichnung eines Sechsjährigen in die Höhe. Grüne und schwarze Buntstiftstriche, ein zerfahrenes Monster mit spitzen Zähnen und fuchtelnden Armen. Ein Monster, das Julian seinem Vater aus Deutschland nach Frankreich schickte. "Ich bin alt geworden", sagt der 41-jährige Franzose. "Seit zwei Jahren habe ich meinen Sohn nicht mehr gesehen." Kindesentzug nennt er das, richterlich gebilligt. Nach einem Urlaub bei der Großmutter in Hamburg war seine Frau mit dem kleinen Sohn nicht zurückgekommen. Für einige Zeit wurde Julian noch wochenweise zum Vater geschickt, dann war Schluss. "Sie bekam in Deutschland per Verfügung das einstweilige Sorgerecht. Die Frau weiß, dass sie Schuld auf sich geladen hat. Deswegen schickt sie Juli nicht mehr." Olivier Karrer, Peter Christof, Bernd Uhl, Jean Trillsam und Armin Emrich - sie alle verbindet der gleiche Knick im Leben: Seit Jahr und Tag sind sie unfreiwillig kinderlos. In der vergangenen Woche traten sie am Alexanderplatz in unbefristeten Hungerstreik. "Wir streiken, weil deutsche Richter unsere Kinder den zwei Millionen deutschen Scheidungswaisen hinzugefügt haben. Wir streiken, weil deutsche Jugendämter sich die staatlich verordneten Kindesentführungen von unserem Geld finanzieren lassen. Wir streiken, weil deutsche Familiengerichte Väter 'zum Wohl der Kinder' entsorgen." Sie sind abgekämpft. Sie sind wütend. Hasserfüllt. "Die Richter können in freier Willkür entscheiden, niemand zieht sie zur Verantwortung", ereifert sich Peter Christof (42) aus Franken. Der kleine Sohn hätte sich an ihn geklammert, wenn die Mutter ihn holen wollte. Da hätte es geheißen, er könne Julia (8) und Bastian (7) nicht loslassen. "Richtige Papa-Kinder waren die beiden. Mit Gewalt hat meine Schwiegertochter die Kleinen aus der Wohnung gezerrt. Und jetzt das: Kontaktsperre", erzählt Großmutter Friedel (71). "Dabei schlägt sie die Kinder und schreit sie an." "Der Richter mag mich nicht, das ist der Grund", weiß Christof. "20000 Mark haben mich die Anwälte gekostet, und ich habe keine Hoffnung, meine Kinder wieder zu sehen. "Die Ader auf seiner Stirn pocht. Und dann ist er nicht mehr zu stoppen. Ein anderes System müsse her, ein gerechteres. Eine Rechtspraxis, die nicht im Sinne der Mutter blind sei ... Auch Bernd Uhl (33) kann schon lange von nichts anderem mehr sprechen als von Paragrafen. Im letzten Jahr flog seine Frau zu ihren Eltern nach Kanada, Söhnchen Josah (2) mit an Bord. Dann der Anruf: "Bernd, ich komme nicht zurück nach Brüssel!" Er kündigte den Job, ging zurück nach Deutschland. "Der Junge ist wichtiger!" Vorläufiges Sorgerecht sprach das kanadische Gericht der Mutter zu. Die Mühlen in Deutschland mahlten langsam. Eine Entscheidung gibt es noch nicht, "Verschleppung" sagt der Vater mit roten Augen und zitternden Lidern. "Keiner will zuständig sein. "Alle gehen davon aus, die Kinder gehörten zur Mutter", sagen die verlassenen Väter. "Und die Frauen rächen sich an uns, nehmen die Kinder als Prellbock. " Fragt man, warum gerade ihnen das zugestoßen ist, wissen sie kei-ne Antwort. Schuld? Bei der anderen Seite natürlich. "Wenn ihr eure Kinder liebt und jemand will das nicht, dann vergesst die Kinder", sagt Armin Emrich aus Berlin. Seine 10-jährige Rudine hat er seit drei Jahren nicht gesehen. Vorher hat er sie vier Jahre lang allein durchgebracht. "Die Frauen wissen, dass es keine Sanktionen gibt, falls sie den Umgang verweigern." Wenn das Kind plötzlich weg ist, wenn man fest­sitzt in seiner leeren Wohnung, ist das ein Schock", erklärt Olivier Karrer. "Die meisten fangen an zu trinken, werden depressiv." Der letzte Tag mit dem kleinen Julian - für ihn keine schöne Erinnerung. "Papa, sind wir böse Menschen?", fragt der Kleine. Er sitzt mit seinem Vater in einer französischen Zelle. 16 Stunden lang - weil sein Vater die Herausgabe des Kindes verweigert hatte. "Aus Deutschland kam die Klage wegen Kindesentführung. Der Scheidungsantrag lag noch unentschieden beim franzö­sischen Gericht. Die Mutter wusste, wo Julian ist: da, wo er immer lebte, in unserem französischen Haus. "Am Morgen waren fünf Polizisten nötig, um den Kleinen aus den Armen seines Vaters zu reißen. Jetzt sitzt er in Hamburg und schickt schwarzgrüne Strichmonster gegen Westen, nach Frankreich. Da, wo Papa wartet . . .